Szene "Titus und Salome"

Einleitung

Titus und Salome Pockerl begegnen einander hier zum ersten Mal. Das bedeutet, dass uns in dieser Szene die Hauptpersonen nähergebracht werden und wir erfahren einiges über Titus' Schicksal.

Was sie verbindet? Beide haben rote Haare, was zu der damaligen Zeit noch kein Schönheitsideal war - im Gegenteil: Beide werden oft und gern von ihrer Umgebung ausgeschlossen. Sie gelten als Außenseiter.

Informationen zum Stück - Der Talisman (Nestroy)
Hintergrundwissen zum Autor - Johann Nestroy

Referenzaufführung für die Probenarbeit

https://youtu.be/QqYXsRBk4K0

Einblicke in die Probenarbeit mit Kindern

https://youtu.be/MfkmTxGT8iU

Tipps vom Regisseur

https://youtu.be/YZa-aUrBrrQ

Kontext

Anzahl der Akte: 3
Position: 1. Akt, 8. Szene. Insgesamt besteht der 1. Akt aus 23 Szenen.

Wir befinden uns hier relativ am Anfang des ersten Aktes ( in der 8. Szene). Salome haben wir da schon kennengelernt, als sie in der 2. Szene beim Tanzen als einzige nicht aufgefordert wird und dann in der 3. Szene dem Publikum ihre Trauer und ihren Ärger über ihre Situation ( roten Haare) anvertraut. Auch Titus hatte davor schon seinen ersten Auftritt und er besingt in der 5. Szene dasselbe Schicksal.

Rollen

Titus Feuerfuchs ist ein rothaariger junger Mann, der aufgrund seiner auffälligen Haarfarbe ein Außenseiter ist. Er wünscht sich ein normales Leben, in dem er nicht benachteiligt wird und ist auf der Suche nach Arbeit. Der arbeitslose Barbiergeselle (Friseurgeselle) ist flink und redegewandt und schafft es, durch Kreativität und ein bisschen Glück, innerhalb kürzester Zeit gesellschaftlich aufzusteigen.

Salome Pockerl ist ein rothaariges Mädchen aus dem Dorf. Auch sie ist eine Außenseiterin und bekommt das oft zu spüren. Sie ist nett, gutmütig und treu; als sie Titus trifft und merkt, dass er in derselben Situation ist wie sie, ist sie sofort begeistert von dem jungen Mann. Durch das Stück hindurch steht sie ihm treu zur Seite und wird zum Schluss dafür belohnt, als Titus beschließt, sie zu heiraten.

Handlung

Die Gänsehüterin Salome sitzt am Brunnen und schneidet sich gerade ein Stück Brot ab, als Titus auftritt. Ihr fällt sofort auf, dass auch er rote Haare hat und sie beginnt ein Gespräch mit ihm. Salome mag Titus aus diesem Grund von Anfang an und sie bewundert ihn. Er findet es ein bisschen seltsam, dass sie alles an ihm schön findet. Dann eröffnet er ihr seine Leidensgeschichte: er hat kein Geld, keine Arbeit und sein Cousin hat ihn wegen seinen roten Haaren weggeschickt und will ihm auch nicht mehr helfen.

Salome beschließt, Titus eine Arbeit bei ihrem Bruder zu verschaffen.

Am Ende der Szene passiert beinahe ein Unfall, doch Salome und Titus reagieren blitzschnell und Titus wird so zum Lebensretter.

Text

Titus. Salome von rechts auftretend, ohne Titus zu bemerken, hat einen großen halben Laib Brot und ein Messer in der Hand.

 Salome. Ich muß trinken, mi druckt's im Magen. (Sie geht zum Brunnen und trinkt.)

 Titus (für sich). Die druckt's im Magen! O, könnt' ich dieses selige Gefühl mit ihr teilen!

 Salome (ihn bemerkend, für sich). Ein fremder junger Mensch - und die schönen Haar', grad wie ich!

 Titus (für sich). Bin neugierig, ob die auch »rote Rub'n!« sagt. (Laut) Grüß' dich Gott, wahlverwandtes Wesen!

 Salome. Gehorsamste Dienerin, schöner Herr!

 Titus (halb für sich.) Die findt't, daß ich schön bin, das ist die erste unter allen

 Salome. O, hören S' auf, ich bin die letzte hier im Ort, ich bin die Ganselhüterin, die arme Salome.

 Titus. Arm? Ich bedaure dich, sorgsame Erzieherin junger Gänse!

 Salome. Sie reden so schön daher - wer is denn Ihr Vater?

 Titus. Er ist gegenwärtig ein verstorbener Schulmeister.

 Salome. Das ist schön! Und Ihre Frau Mutter?

 Titus. War vor ihrem Tod längere Zeit verehelichte Gattin ihres angetrauten Gemahls.

 Salome. Ah, das is schön!

 Titus (für sich). Die find't alles schön, ich kann so dumm daherreden, als ich will.

 Salome. Und darf man Ihren Namen wissen - wenigstens den Taufnamen?

 Titus. Ich heiß' Titus.

 Salome. Das is ein schöner Nam'!

 Titus. Paßt nur für einen Mann von Kopf.

 Salome. Und lebendige Verwandte haben Sie gar keine?

 Titus. O ja! Einen Herrn Vetter, aber der tut nix für mich.

 Salome. Vielleicht hat er nix. Haben Sie ihm vielleicht was getan, daß er Ihnen nit mag?

 Titus. Sehr viel, ich hab' ihn auf der empfindlichsten Seite angegriffen. Das Aug' ist der heiklichste Teil am Menschen, und ich beleidige sein Aug', so oft er mich anschaut, denn er kann die roten Haar' nit leiden.

 Salome. Der garstige Ding!

 Titus. Er schließt von meiner Frisur auf einen falschen, heimtückischen Charakter, und wegen diesem Schluß verschließt er mir sein Herz und seine Kassa. So ist mir ohne Geld, ohne Lieb', ohne Freundschaft meine Umgebung unerträglich word'n; da hab' ich alle Verhältnisse abg'streift, und jetzt steh' ich in den Hemdärmeln der Freiheit da. Wenn ich einen Versorgungsmantel hätt', der mich vor dem Sturm der Nahrungssorgen schützet -

 Salome. Also handelt es sich um ein Brot? Na, wenn der Herr arbeiten will, da laßt sich Rat schaffen. Mein Bruder is Jodel hier. Beim Bäcker brauchen s' ein' Knecht. Mein Bruder ist Bäckergesell.

Titus (auf den Brotlaib, den Salome trägt, deutend). Hat er dieses Brot verfasst? Ich möchte´ doch sehen, wie weit es dein Bruder in dem Studium der Brotwissenschaft gebracht hat.

Salome. Na, kosten Sie´s! Es wird Ihnen aber nicht behagen. (Sie schneidet ein sehr kleines Stück Brot ab und gibt es ihm)

Titus (essend). Hm- es ist-

Salome. Mein´ Ganseln schmeckt´s wohl, natürlich, ´s Vieh hat keine Vernunft.

Titus (für sich). Der Stich tut weh: Mir schmeckt´s auch.

Salome. Na, was sagen S´? Nit wahr, ´s is schlecht?

Titus. Hm! Ich will deinen Bruder nicht so voreilig verdammen. Um ein Werk zu beurteilen, muss man tiefer eindringen. (Nimmt den Brotlaib und schneidet ein sehr großes Stück ab). Ich werde prüfen und dir gelegentlich meine Ansichten mitteilen. (Steckt das Stück Brot in die Tasche)

Salome. Also bleiben S´ doch noch ein´ Zeit da bei uns? Das is recht! Den Stolz muss man ablegen, wenn man nix hat! Vielleicht kennt sie der Bäcker aufnehmen! (Nach links in den Hintergrund sehend und erschreckend.) Sie, da schaun S´ hin!

Titus (hinsehend). Die Kutsche- ´s Roß lauft dem Wasser zu- Million, alles hin! (Rennt im Hintergrund links ab.)

Sprache

Erläuterungen / Glossar

Textarbeit

1. Was erfahren wir:

   1. dass Salome und Titus wegen ihren roten Haaren Außenseiter sind.

   2. dass Titus keine Arbeit hat und Salome ihm helfen will.

   3. dass Titus eine besonders schöne Aussprache hat.

   4. dass Titus danach einen schweren Unfall verhindert.

2. Der Text kann noch weiter vereinfacht werden

3. Darstellung als Pantomime

4. In eigenen Worten nacherzählen

5. Text laut lesen und spielen, siehe Kapitel Textarbeit

Szenarien

Fragen

• Sind sich Titus und Salome schon einmal begegnet?

• Woher kommt Titus/woher kommt Salome?

Mögliches Szenario: “Titus und sein Vetter” (Personen: Titus, Vetter, Kundschaft): Der letzte Streit, bevor Titus das Haus seines Vetters verlässt. Titus arbeitet im Verkauf im Geschäft seines Vetters. Die Kundschaft möchte eine Ware, die Titus nicht kennt. Die Kundschaft beschimpft Titus und beschwert sich beim Vetter über Titus. Der Vetter brüllt Titus an. Was passiert?

• Talisman: Was ist Salomes bisherige Lebensgeschichte? Wie alt ist sie? Woher kommt sie?

Improvisation: Sie erzählt einem Freund ihre Lebensgeschichte.