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Intrinsisches Lernen und Selbstorganisation

Beim Lernen wird vor allem durch Erleben einer Bewegung oder einer Situation ein Muster eingeprägt. Das entsprechende Modell beschreibt Lernen nicht als das „oftmalige Wiederholen der Lösung“, sondern vielmehr als „die wiederholte Suche nach der Lösung für eine bestimmte Aufgabe“. Dieses intrinsische Lernen ist von einem hohen Selbstorganisationsgrad gekennzeichnet, deshalb ist die Lösung auch immer stark individuell ausgeprägt.

Glossar

Selbstorganisation → Intrinsisches Lernen ist von einem hohen Selbstorganisationsgrad gekennzeichnet, deshalb ist die Lösung auch immer stark individuell ausgeprägt.

kinesthetisches Lernen → Das Lernen durch Erleben und Erfahren, das Lernen mit allen Sinnen.

Inhalt

Ein weit verbreitetes Verständnis von motorischem Lernen, beispielsweise wie beim Erlernen der Handschrift, geht davon aus, dass Lernen auf oftmaliger und möglichst präziser Wiederholung einer bestimmten Bewegung beruht. Durch diese oftmaligen Wiederholungen sollen sich dann die Details der Bewegung im Gehirn quasi eingravieren. Genauer betrachtet ist das aber eigentlich nicht richtig.

Auch wenn motorisches Lernen natürlich mit oftmaligem Üben zusammenhängt, so ist Üben nur ein Teil vom Lernprozess. Betrachtet man beispielsweise den Erwerb von Handschrift in der Schule, so fällt auf, dass wir zwar alle das gleiche Alphabet lernen und diese Formen in endlosen Übungen immer wiederholen, die Schrift von uns Erwachsenen dann aber in gravierender Weise von dieser Schulschrift abweicht. Die Form der Schrift hat sich also gerade nicht eingraviert. Üben alleine ist auch nicht der Weg zum garantierten Erfolg, es können beispielsweise auch Fehler mit geübt werden, die sich dann genauso verfestigen und sich später wieder schwer verlernen lassen. 

Selbstorganisation von Bewegung

Wie haben wir nun also Schreiben gelernt? Neben der Individualisierung ist das Kennzeichen von routinierter Handschrift die Optimierung des Bewegungsablaufs, also eine extrem hohe Effizienz der Schrift. Das ist deswegen interessant, weil uns dieser Aspekt von Handschrift überhaupt nicht gelehrt wurde. Im Gegenteil – die Schulschrift ist eigentlich eine ausgesprochen ineffiziente und unnötig komplizierte Schrift. Es gibt also bestimmte Mechanismen, die die Motorik beim Lernen von selbst organisieren. Eine erfolgreiche Selbstorganisation führt in der Folge dann auch zu einer erfolgreichen Automation der Bewegung. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Lernprozesses kann bei Kindern sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, und entsprechend ist für Kinder das Lernen schwieriger oder einfacher.

Intuitiv konfrontieren sich manche Kinder mit bestimmten Lernsituationen, die dem Lernprozess förderlich sind. Beispielsweise fangen viele Mädchen zu einem bestimmten Zeitpunkt an, ihre Schrift durch Schnörkel, runde Formen, oder Veränderung der Buchstabengröße bewegungsfördernd auszugestalten. Bei diesen Modifikationen machen sie viele wertvolle Bewegungserlebnisse, die ihnen helfen, ihre Schrift insgesamt motorisch effizienter zu gestalten – egal ob diese Schnörkel später beibehalten werden. Bleiben Kinder aber an den strikten Schreibvorgaben kleben und versuchen sie, diese Anforderungen einfach nur zu erfüllen, bleiben ihnen diese Bewegungserlebnisse verwehrt. Dieser kreative Umgang mit Lernaufgaben fördert also die implizite Selbstorganisation des Lernprozesses und verbessert damit das Lernergebnis.

Lernen ist Erleben

Was sich also tatsächlich einprägt ist ein motorisches Muster. Dieses Muster wird durch Erleben gelernt und mit Begriff kinesthetisches Lernen beschrieben. Das entsprechende Modell beschreibt Lernen nicht als das „oftmalige Wiederholen der Lösung“ einer bestimmten motorischen Aufgabe, sondern vielmehr als „die wiederholte Suche nach der Lösung für eine bestimmte motorischen Aufgabe“. Lernen ist also eher ein Suchprozess, und der Ausgang ist zunächst ungewiss. Die Lösung kann dann mehr oder weniger starke individuelle Anteile enthalten, so wie die Handschrift.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass selbst wenn wir alle die gleiche Bewegungsform üben würden, das Ergebnis aber trotzdem individuell geprägt wäre und gewisse Unterschiede auftreten würden. Wir sind eben keine Roboter, und haben deswegen unterschiedliche Persönlichkeit, Präferenzen und Tendenzen, und letztlich auch andere Körperbeschaffenheit (Physis). Dieser Gedanke sollte beim Lehren und Lernen von Bewegung stets im Hinterkopf präsent sein.

Auch wenn es bio-mechanisch vielleicht eine “optimale” Lösung gibt, kann ein Modell immer nur einen Annäherungsversuch darstellen und ist kein Muss. Die tatsächlich individuell am besten geeignete Bewegung erkennt man nicht nur an dem guten Bewegungsergebnis, sondern auch an der optimalen Effizienz und Konsistenz, den entscheidenenden Faktoren für die Synergie der Bewegung.

Was bedeutet dies für meine Unterrichtspraxis?

Beim Lernen ist Wiederholung wichtig, aber nicht die detailgenaue Wiederholung einer genauen Vorgabe, sondern das wiederholte Üben als Problemlösungsaufgabe. Um einen Lernprozess zu fördern ist es also nicht unbedingt günstig, vermehrt Vorgaben zu machen. Vielmehr sollte das Kind zu einem Üben motiviert werden, bei dem Lösungsmöglichkeiten gesucht und erfahren werden können.

Reflexionsfrage

Wie müsste eine Schrift aussehen, die Kindern das Schreiben lernen erleichtert?

Quiz

1) Woran kann man bei Handschrift die Selbstorganisation erkennen?

A) Bei zu ungenaue Vorgaben
B) Anhand unterschiedlichem Lerntempo
C) An einer starken Individualisierung

2) Wiederholung ist beim Üben wichtig weil

A) sich die Vorgabe besser einprägt
B) wiederholt Erfahrungen gesammelt werden
C) weniger Fehler vorkommen

Lösungen

1️⃣ → C) An einer starken Individualisierung
2️⃣ → B) wiederholt Erfahrungen gesammelt werden

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