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Systemdynamisches Lernen

Das Konzept des systemdynamischen Lernens geht davon aus, dass es für eine Aufgabe keine einzelne Lösung gibt, sondern immer mehrere Lösungsmöglichkeiten in einer Art von „Lösungsraum“ zur Verfügung stehen. Je mehr Information beim Lernen gespeichert werden kann, auf desto mehr Information kann später beim Suchen nach einer jeweiligen Lösung zurückgegriffen werden. Deshalb sollten möglichst viele verschiedene eingeschätzte Lösungsansätze geübt werden, und nicht nur die von vornherein als geeignet erscheinenden.

Glossar

Modellbasiertes Lernen → Das Lernen mit einem vorgegebenen Lösungsmodell.

Systemdynamisches Lernen → Das Konzept des systemdynamischen Lernens geht davon aus, dass es für eine Aufgabe keine einzelne Lösung gibt, sondern immer mehrere Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Variables Lernen → Das Lernen unter variablen Lernbedingungen und Lerninhalten, führt normalerweise zu verbessertem Lernerfolg.

Lösungsraum → Beim systemdynamischen Lernen stehen in einem „Lösungsraum“ immer mehrere Lösungsmöglichkeiten für eine bestimmte Aufgabe zur Verfügung.

motorische Landkarten → Beim systemdynamischen Lernen werden die vielfältigen komplexen Informationen in vieldimensionalen “Landkarten” im Gehirn gespeichert.

Inhalt

Systemdynamisches Lernkonzept

Das systemdynamische Lernkonzept geht davon aus, dass es für eine Aufgabe keine einzelne Lösung gibt, sondern immer mehrere Lösungsmöglichkeiten in einer Art von „Lösungsraum“ zur Verfügung stehen. Beispielsweise gibt es viele verschiedene Möglichkeiten ein Glas zu greifen und daraus zu trinken. Die individuellen Kompetenzen sind dabei in vieldimensionalen “Landkarten” mit Informationen gespeichert, mit denen die verschiedene Aspekte einer solchen Bewegung kontrolliert werden können. Je mehr Information nun in einer solchen “Landkarte” gespeichert ist, auf desto mehr Information kann beim Suchen nach einer jeweiligen Lösung zurückgegriffen werden. Um diese Karten möglichst reichhaltig zu füllen, sollten also nicht nur die als geeignet eingeschätzten Lösungsansätze geübt werden. Es kann auch hilfreich sein, viele verschiedene, und sogar auch ungeeignete Ausführungsformen auszuprobieren. Damit unterscheidet sich das systemdynamische Lernmodell deutlich von dem modell-basierten Lernansatz. Durch das beabsichtigte Ausprobieren auch ungeeigneter Ausführungsformen geht das systemdynamische Lernen aber auch über das variable Lernen hinaus. Diese unterschiedlichen Lernansätze werden im Weiteren beispielhaft mit Kompetenzkarten erläutert.

Modell-basiertes Lernen

Beim Modell-basierten Lernen wird immer eine optimale Lösung vorgegeben (in der Karte der grüne Punkt), die bevorzugt geübt werden soll. Dieses Modell orientiert sich zumeist an dem perfekten Bewegungsergebnis, also an der korrekten Form. Abweichungen von dieser Vorgabe sollen vermieden werden (gelb), und größere Abweichungen werden während des Lernprozesses als Fehler betrachtet (rot). Individuelle Anteile oder Kreativität werden damit als Störgrößen betrachtet. In der Schule werden Abweichungen von den vorgegebenen Buchstabenformen oftmals sanktioniert und negativ bewertet. Dies führt natürlich zu einem bestimmten Lernverhalten, wo Fehler vermieden werden und ein hohes Maß an bewusster Bewegungskontrolle eingesetzt wird.

Modell-basiertes Lernen - Eigenes Werk

Variables Lernen

Während des Lernens werden die Aufgabenstellungen in gewissem Ausmaß variiert, um das Lernsystem mit mehr Information zu versorgen. Das Lernen wird als ein wiederholtes Problemlösen betrachtet, wo durch die Variation nicht nur der Lernprozess selber, sondern auch die Anpassungsfähigkeit gefördert wird. Es entsteht zwangsläufig auch mehr Misserfolg, diese Abweichungen von der Vorgabe (gelb) werden aber nicht mehr zwangsläufig als negativ oder Fehler betrachtet, sondern als hilfreich für das Lernen angesehen. Das Ausmaß der Variation richtet sich auch nach dem Kompetenzniveau des Lerners, der nicht unterfordert, aber auch nicht überfordert sein sollte. Das Lernergebnis beim variablen Lernen ist vor allem im Transfer deutlich besser als beim Lernen durch Wiederholung.

Variables Lernen - Eigenes Werk

Systemdynamisches (differenzielles) Lernen

Durch eine reichhaltige Lernumgebung mit permanenter Variation der Aufgaben und des Aufgabenkontexts wird versucht, die Landkarten mit den gespeicherten Informationen möglichst vollständig zu füllen (grüne Punkte). Dies könnte beispielsweise das schnelle, genaue, große, kursive Schreiben (Aufgabenkontext) verschiedener Buchstaben (Variation) sein. Dabei ist es prinzipiell egal ob diese Erfahrungen zielführend zur Lösung der Aufgabe sind oder nicht. Natürlich ist trotzdem ein genaues Feedback über den jeweiligen Bewegungserfolg nötig, um die Informationen entsprechend einordnen zu können. Treten beim Lernen Schwankungen und Ungenauigkeiten auf, werden diese sogar noch absichtlich verstärkt als neue Aufgabe zurückgegeben, um den Selbstorganisationsprozess beim Auffinden der eigenen, individuellen Lösung zu fördern. Wenn also beispielsweise zu fest aufgedrückt wird, soll der Schüler dann noch fester aufdrücken, bis er selber spürt, wie sich zu fester Druck anfühlt.

Die Entscheidungsfindung in einem solch komplexen System an Informationen wird modell-basiert erklärt. Wenn die Karten gut gefüllt sind, und das System dann später eine geeignete Lösung für eine bestimmte Aufgabe benötigt, dann wird durch eine Art von Interpolation ALLER in diesen Karten gespeicherten Informationen ein Schnittpunkt oder ein Schwerpunkt berechnet, der die momentan beste Lösung darstellt. Beispielsweise wird dann beim Laufen im Wald und dem Sprung über einen Baumstamm das zu Größe, Entfernung, Untergrund etc. passende motorische Programm ausgewählt. Je besser diese Karten insgesamt gefüllt sind, desto besser und desto stabiler gelingt dann die Lösung.

Systemdynamisches (differenzielles) Lernen - Eigenes Werk

Das systemdynamische Lernen unterscheidet sich also grundlegend von einem klassischen kognitiven Lernansatz. Während der kognitive Lernansatz den Lerninhalt und die Lernmethode weitgehend vorbestimmt, und nur geeignete Lösungen vorgibt, versteht sich das systemdynamische Lernen eher als Ausgestaltung einer reichhaltigen Lernumgebung, in der der Lerner möglichst viele Erfahrungen und Erlebnisse sammeln kann. Die folgende Tabelle listet einige der Unterschiede dieser beiden Lernmethoden auf: 

Aspekt

Kognitives Lernen

Systemdynamisches Lernen

Lernmethode

Vorgaben

Problemlösen

Technik

Modell

Individuell

Trainingsziel

Eingravieren einer Modellbewegung

Suche nach möglichen Lösungen

Bewusstheit

Lernen durch Verstehen

Implizites Lernen durch Erleben

Fehler

Zu vermeiden

Helfen beim Lernen

Übungsmodus

Konstantes Üben mit Wiederholungen

Variables und differentielles Üben

Lernprinzip

Externe Organisation durch Anweisung

Selbstorganisierend

Viele wissenschaftliche Studien konnten eindrucksvoll belegen, dass das variable und systemdynamische Lernen in der Lernphase zwar anspruchsvoller ist, im Transfer auf den Alltag aber ein deutlich besseres Lernergebnis erzielt. Im Prinzip ist das selbstorganisierte Lernen (beispielsweise beim Gehen lernen) von Kindern auch als variables Lernen zu betrachten. Beim kognitiven Lernen unterliegt man hingegen der Illusion des Lernens: Während der Lernphase scheint die Bewegung gut zu gelingen, weil sie unter kontrollierten Bedingungen, langsam, und unter einem hohen Maß an Bewegungskontrolle ausgeführt wird. Allerdings ist der Transfer auf den Alltag unbefriedigend, wenn sich der Lerner neuen Situationen stellen muss, oder die Bewegung automatisiert ausgeführt werden muss. Beim variablen und systemdynamischen Lernen werden in der Lernphase zwar deutlich mehr Fehler gemacht. Diese Fehler dienen aber als zusätzliche Informationsquelle und erlauben, die Bewegungen frühzeitig zu automatisieren, da weniger bewusste Bewegungskontrolle benötigt wird. Im Transfer sind variabel gelernte Bewegungen anpassungsfähiger, und belasten durch die Bewegungsautomation das Arbeitsgedächtnis viel weniger.

Was bedeutet dies für meine Unterrichtspraxis?

Auch wenn konstantes Üben während der Übungsphase scheinbar besseren Erfolg zeigt, ist das Ergebnis im Transfer auf andere Aufgaben sehr begrenzt. Das Lernsystem reagiert nicht auf konstante Wiederholungen, sondern vielmehr auf permanent neu gestellte Anforderungen (siehe → Hippocampus). Die Aufgabe des Lehrers beim systemdynamischen Üben ist die Ausgestaltung einer reichhaltigen Lernumgebung, die verschiedene und individuelle Lösungswege anregt.

Reflexionsfrage

Warum führt das kognitive Lernen (Lernen durch Verstehen) nur zu einem begrenzten Lernerfolg?

Quiz

1) Ein Prinzip von systemdynamischem Lernen ist

A) das Vermeiden von Fehlern
B) konstantes Üben mit Wiederholung
C) wiederholtes implizites Erleben

2) Warum ist variables Üben effizienter als konstantes Üben?

A) Man hat ein besseres Verständnis der Aufgabe
B) Man erhält mehr Information durch dauernde Anpassung
C) Es stellt sich ein sofortiger Lernerfolg ein

Lösungen

1️⃣ → C) wiederholtes implizites Erleben
2️⃣ → B) Man erhält mehr Information durch dauernde Anpassung

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